Associate Professor für Gender, Race and Environment an der York University in Toronto
Die Corona-Pandemie wirft die Frage, was uns sicher macht, erneut ins Visier. Die Krise gibt dem Staat präzedenzlose Möglichkeiten, Grenzen zu schließen, nicht-weiße Menschen als Regelbrecher*innen zu profilieren, und queere Wahlfamilien erneut zu kriminalisieren. Dies zeigt zugleich, dass Rechte und öffentlicher Sicherheit nie abstrakt und universell sind. Die nahezu absolute Macht des Staates über das öffentliche und private Leben betrifft vor allem Menschen, die nicht automatisch unter seinen Schutz fallen, sondern im Gegenteil immer bereits ein Risiko darstellen, das gemanagt werden muss. Neben der Verschärfung bestehender Gewaltverhältnisse bietet die Pandemie daher auch einen Schlüsselmoment für die Transformation der Sicherheit und die Schaffung von Alternativen, die über den karzeralen Staat hinausgehen. Im Vortrag untersuche ich dies anhand von Interviews mit Menschen in Berlin, die in selbst-organisierten politischen Umfeldern aktiv sind, wo Corona-Sicherheit auf vielfältige Weise diskutiert und praktiziert wird: vom kreativen Umgang mit den staatlichen Corona-Regeln, die das Monopol der weißen, cis-heteronormativen Nuklear-Familie auf staatliche Legitimität festschreiben, zur Bildung von queer of Colour Pods, Bubbles und Care-Kollektiven, wo individuelle und kollektive Sicherheit jenseits staatlicher Sanktionierung praktiziert wird, zur Organisation von antirassistischen Protesten, wo der öffentliche Raum zurückerobert und die Frage der kollektiven Sicherheit von grund auf neu verhandelt wird.
Prof. Dr. Jin Haritaworn ist Associate Professor für Gender, Race and Environment an der York University in Toronto, Kanada. Jin verortet sich in der Tradition einer aktivistischen Wissenschaft, die versucht, im Dienste sozialer Bewegungen zu stehen. Zu Haritaworns Veröffentlichungen gehören Monographien (u.a. Queer Lovers and Hateful Others: Regenerating Violent Times and Places), zahlreiche Artikel (in Zeitschriften wie GLQ, Sexualities, sub\urban, Society&Space und Topia) und mehrere kollaborative Sammelbänder (darunter Queer Necropolitics, Queering Urban Justice und Marvellous Grounds). Jin hat auf beiden Seiten des Atlantiks in diversen Feldern grundlegende Beiträge geleistet, darunter in Gender-, Sexualitäts- und Transgender-Studien, Critical Race/Ethnic Studies und Stadtforschung, und hat verschiedene Konzepte und Debatten mitgeprägt, u.a. Intersektionalität, transnationale und postkoloniale Sexualitäten, Gentrifizierung, Queer Space, Kriminalisierung, Homonationalismus und Queer-of-Colour-Kritik und -Archive.
Moderation: Gundula Ludwig, Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung, Universität Innsbruck
Kommentar: Vanessa Thompson, Kulturwissenschaftliche Fakultät, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Ort: Online / Infos unter: www.uibk.ac.at/geschlechterforschung
Eine Sendereihe von Julia Tschuggnall
Mehr Information: www.uibk.ac.at/geschlechterforschung/innsbruckergenderlectures
Alle bisherigen Gender Lectures zum Nachhören: https://cba.media/series/innsbrucker-gender-lecture