„Öffentlichkeit ist der Sauerstoff der Demokratie“(Günther Walraff)
Angefangen hat FREIRAD 105.9 bereits in den 90er Jahren – damals suchten Radioaktivist_innen um eine Regionallizenz in Tirol an, die allerdings an einen kommerziellen Betreiber vergeben wurde. Es benötigte eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, ein zweites, repariertes Regionalradiogesetz und das aktive Suchen der Radioaktivist_innen nach freien Frequenzen, bis FREIRAD 105.9 2001 schließlich die Lizenz bekam über die Frequenz 105.9 Mhz den Großraum Innsbruck mit einem nichtkommerziellen, werbefreien 24 Stunden-Programm, das im Offenen Zugang produziert wird, zu versorgen.
Seither denken wir immer wieder über eine Sendeerweiterung nach. Spielen mit der Idee mehr Menschen mit unserem Programm zu versorgen, um mehr Anreiz für Menschen zu bieten, die außerhalb der Landeshauptstadt leben, selbst aktiv zu werden und sich in öffentliche Diskurse einzumischen. Nun ist es an der Zeit sich vom Reden ins Tun zu trauen.
Deshalb sagen wir: „Ja, wir fangen einfach an!“ – ergreifen das Wort, stechen erneut in See und gestalten aktiv unsere Lebensumgebung. Konkret wollen wir aus Innsbruck ausbrechen und neue (Sende)Gebiete erobern. Wir wollen dieses Wagnis jedoch nicht alleine eingehen, sondern andere auf ihrem Weg aus dem gemachten Nest hinaus in den öffentlichen Raum begleiten, sie befähigen von passiven Zuhörer_innen zu aktiven Produzent_innen zu werden. Wie viele uns bei diesem Aufbruch begleiten oder ob wir gar scheitern werden, wissen wir noch nicht, aber wir werden Verantwortung übernehmen und es einfach versuchen.
Der Hintergrund
FREIRAD, Verein zur Förderung der Medienvielfalt und der Freiheit der Meinungsäußerung versorgt über die Frequenz 105.9 seit über 10 Jahren den Großraum Innsbruck mit einem anderem Radioprogramm. Denn nicht Quotenzwänge oder die Werbewirtschaft bestimmen was gespielt wird, sondern wir Bürger_innen selbst. Kinder, Jugendliche, Senior_innen, Menschen mit Behinderung, Frauen und Männer mit und ohne Migrationshintergrund gestalten das Programm in 14 Sprachen und präsentieren, diskutieren und philosophieren über Kunst, Kultur, Politik, Gesellschaft, Sport, Musik, Bildung, Gesundheit oder einfach über das Leben in Innsbruck oder Tirol und werfen dabei auch einen Blick über die Grenzen Österreichs hinaus.
Die Radiomacher_innen, die Zuhörer_innen und das Programm von FREIRAD 105.9 machen die Vielschichtigkeit und Unterschiedlichkeit unserer Gesellschaft sichtbar. Die Fülle der Themen, die enorme Vielfalt an Meinungen, aber auch Musik weitab des Mainstreams zielen nicht wie beim Formatradio darauf ab, den Geschmack der großen Masse zu treffen, sondern die Heterogenität unserer Gesellschaft abzubilden und dieser mediale Öffentlichkeit einzuräumen, um die Emanzipation der Zivilgesellschaft zu fördern und zu einer demokratischen Gesellschaft beizutragen.
FREIRAD 105.9 fördert den gesellschaftlichen Diskurs, verschafft marginalisierten Meinungen eine mediale Öffentlichkeit und fungiert als Plattform für Kunst- und Kulturschaffende, denen in den kommerziellen Tiroler Medien sehr wenig Platz eingeräumt wird.
Mehr als drei Stunden lang hören wir alle jeden Tag im Durchschnitt Radio (Radiotest 2011). Radio ist somit weiterhin ein zeitgemäßes Instrument zur Verbreitung von Belangen von Bürger_innen, Vereinen, Gruppen und Initiativen. Freie Radios wie FREIRAD 105.9 gehorchen in der Programmproduktion nicht den Regeln des Marktes, sondern stellen einen Offenen Zugang zum Medium Radio zur Verfügung. Sie bemächtigen Bürger_innen zur selbstständigen medialen Produktion und bieten diesen die Möglichkeit eigene Sendungen zu gestalten – die Hörer_innen werden selbst zu Radiomacher_innen.
Dabei verstehen sich Freie Radios als Komplementärmedien, die nicht in Konkurrenz zum öffentlich-rechtlichen oder privat-kommerziellen Rundfunk stehen, sondern Aufgaben übernehmen, die die anderen Sektoren des österreichischen Mediensystems nicht leisten können. Freie Radios sind inklusive Medien, die allen Menschen einen Zugang zum Medium Radio ermöglichen und dabei sehr niederschwellig vorgehen – weder spezielle Sprachkenntnisse, noch technisches Vorwissen werden benötigt. Der partizipative Ansatz, den Freie Radios verfolgen und der Offene Zugang, den sie bereitstellen, macht sie zu Plattformen für den kulturellen und sozialen Austausch und bilden so im Gegensatz zu kommerziellen Medien die gesellschaftliche Realität ab. Ihre Grundsätze bilden die Grundlage für eine pluralistische und offene Medienstruktur, die auch eine antirassistische und antisexistische Medienarbeit ermöglicht.
Freie Radios verstehen sich als Kommunikationsmittel im lokalen und regionalen Raum und unterstützen die regionale Entwicklung. Als alternative KulturträgerInnen transportieren und fördern Freie Radios kulturelle Identität, politische und demokratische Partizipation, sowie Integration. Freies Radio fördert Kommunikation und Diskussion im lokalen und regionalen Raum und lässt demokratische Prozesse öffentlich stattfinden. Es dient als Sprachrohr für in den Medien unterrepräsentierte Gruppen und fördert die Meinungsvielfalt. Sie sind fördernde Plattformen für regionalbezogene Kunst- und Kulturschaffende, da sie Künstler_innen Auftritts- und Verbreitungsmöglichkeiten einräumen, und ebenso Experimentierfeld für innovative (Radio-)Projekte. Doch das kulturelle Leben Tirols findet nicht nur in der Landeshauptstadt statt, sondern ebenso in den (Umland)Gemeinden und anderen Städten Tirols.
Deshalb wollen wir einfach mal anfangen und den Schritt raus aus dem städtischen Raum wagen. FREIRAD 105.9 erweitert sein Sendegebiet um zwei neue Sendestandorte in Inzing (106.2 Mhz) und Wattens (89.6 Mhz). Zukünftig kann so der Ballungsraum zwischen Telfs und Schwaz und damit ein Drittel der Einwohner_innen Tirols versorgt werden. 50.000 Menschen mehr werden zukünftig FREIRAD, den einzigen Freien Radiosender Tirols, empfangen können. Unser Ziel liegt allerdings nicht in der terrestrischen Versorgung möglichst vieler Menschen, sondern in der aktiven Partizipation und Bemächtigung möglichst vieler Bürger_innen. Diese möchten wir im Rahmen des Projekts „Kultur.Radio – Stadt.Region“ bei ihrem Aufbruch in den Äther unterstützen. Denn gerade in kleingliedrigen Gebieten kann ein Freies Radio nicht nur als Artikulationsraum dienen, in dem auch Meinungen und Belange von Menschen transportiert werden, die wenig Aufmerksamkeit in den Mainstream-Medien bekommen, sondern vor allem auch als Kommunikationsmedium, das Diskussionen anregt und öffentlichen Raum schafft, um Probleme und Anliegen diskursiv zu lösen. Als Lokalradios wirken Freie Radios ebenso identitätsstiftend und tragen zur Weiterentwicklung kleinräumiger, kultureller Identitäten bei.
Projektbeschreibung
Das Projekt „Kultur.Radio – Stadt.Region“ möchte Menschen, die im Versorgungsgebiet zwischen Schwaz und Telfs wohnen, sowie regionale Kulturinitiativen auf die Möglichkeiten, die ihnen ein Freies Radio bietet, aufmerksam machen, sie zu Radiomacher_innen ausbilden und sie auf dem Weg zu ihrer eigenen Sendereihe begleiten.
In einem ersten Schritt wollen wir aktiv auf die Gemeinden und Kulturinitiativen im neuen Versorgungsgebiet zugehen, sie auf die Empfangbarkeit von FREIRAD 105.9 und die Möglichkeiten, die ein Freies Radio bietet, aufmerksam machen und gemeinsam Konzepte für die Bewerbung des Projekts „Kultur.Radio – Stadt.Raum“ entwickeln. Anschließend sollen in verschiedenen Gemeinden / Städten Informationsveranstaltungen stattfinden, die alle Interessierten über die Idee, Grundsätze und Möglichkeiten von Freien Radios informieren und Raum bieten über das österreichische Mediensystem und die Auswirkungen der derzeitigen Medienkonzentrierung und -kommerzialisierung zu diskutieren. Die Teilnehmer_innen sollen für die Defizite der derzeitigen Medienlandschaft und Informationsvermittlung sensibilisiert und es sollen Alternativen aufgezeigt werden.
Bei diesen Informationsveranstaltungen werden auch erste Ideen für Sendungskonzepte gesammelt und unterschiedliche Konzepte, wie etwa ein Sendungsfenster für die jeweilige Gemeinde / Stadt, das von allen bespielt werden kann, zur Diskussion gestellt.
Im Projektzeitraum werden anschließend für interessierte Gemeinde-Bürger_innen Radio-Workshops in der Räumlichkeiten von FREIRAD 105.9 in Innsbruck abgehalten. In diesen werden Gestaltungsformen und Gestaltungsmöglichkeiten im Radio, Sendungskonzeption, Sendungsabwicklung (Studiotechnik und Technik bei Liveübertragungen), Interviewtechniken, Moderation, Mikrophonieren, Aufnahmetechniken, Schnitttechniken, sowie Medienrecht gelehrt. Die Teilnehmer_innen erhalten in den Workshops nicht nur eine Basisausbildung im Radiomachen, sondern machen auch selbstständig ihre ersten Schritte in den Äther indem sie eine Stunde lang live On Air gehen.
Die Räumlichkeiten von FREIRAD 105.9 bieten sich für die Abhaltung der Workshops an, da sie einerseits mit der Lage am Westbahnhof gut an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden sind und andererseits zukünftige Radiomacher_innen so bereits das Studio und die Möglichkeiten, die dieses bietet, kennen lernen. Das Projekt möchte auch dazu beitragen, dass sich Kulturinitiativen, die bereits in den Gemeinden / Städten existieren stärker vernetzen, ein Informationsaustausch stattfindet und übergreifende Sendungskonzepte entstehen. Die Räumlichkeiten von FREIRAD 105.9 können als solch eine Plattform für Vernetzung dienen und bieten als Kulturort auch die Möglichkeit mit städtischen Initiativen in Kontakt und Austausch zu treten.
Zentraler Bestandteil des Projekts wird die Nachbetrachtung der erlebten Radioerfahrung sein. Es soll eine Plattform für Feedback und Erfahrungsaustausch geben. Diese Phase des Projekts soll Menschen dazu ermutigen selbst aktiv zu werden und in regelmäßigen Sendungen ihre Anliegen, Themen und Projekte einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln.
FREIRAD 105.9 wird 2014 anfangen und den Aufbruch in neue Regionen wagen. Wir wollen dies aber nicht alleine tun, sondern viele Menschen mitnehmen, ihnen die Fähigkeiten vermitteln selbst den Aufbruch in den Äther zu wagen und aktiv und selbstbestimmt gesellschaftliche Diskurse anzuregen und zu führen.
mögliche Kooperations-Gemeinden/-Städte: Hall in Tirol, Inzing, Kematen, Zirl, Seefeld, Wattens, Völs, Telfs
Projektziele:
→ Informationsvermittlung im Bereich Mediensystem Österreich und alternative Medienprojekte
→ Vermittlung von Medienkompetenz
→ Ausbildung zur selbstständigen medialen Produktion
→ Austausch zwischen städtischen und ländlichen Kulturinitiativen
→ die Förderung der Vernetzung und Entstehung von Synergien zwischen lokalen Kulturinitiativen
→ Medienpräsenz lokaler Kulturvereine und -initiativen
→ Schaffung einer gemeinsamen kulturellen Lebensumgebung
→ Motivation zur aktiven BürgerInnenbeteiligung und zivilgesellschaftlichem Engagement
Dieses Projekt wird vom Land Tirol im Rahmen von TKI_open 14 mit € 4010 gefördert.