Förderung medialer Vielfalt und Qualität
Ein Kooperationsprojekt von
Freies Radio Innsbruck – FREIRAD 105.9
Galerie St. Barbara / Osterfestival Tirol
NLK Kultur
p.m.k. plattform mobile kulturinitiativen
TKI – Tiroler Kulturinitiativen / IG Kultur Tirol
Ausgangssituation
„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“, lautet ein bekanntes Diktum des Soziologen Niklas Luhmann. Und so fragwürdig die Behauptung im Einzelnen auch ist, so zutreffend mag sie all jenen erscheinen, deren kulturelle Veranstaltungstätigkeit von den Massenmedien geflissentlich ignoriert wird. Das „Wir“, das vom Mikrokosmos des gelungenen Konzert- oder Theaterabends weiß, beschränkt sich in solchen Fällen schließlich häufig auf eine(n) selbst – und die Hand voll Leute, die durch hauseigene Medien mit begrenzter Reichweite davon erfahren haben…“
Markus Griesser
in: baettle research, www.baettle.net
Die mediale Präsenz von Kunst und Kultur, speziell was den Bereich zeitgenössische Kunst- und Kulturarbeit betrifft, ist in Tirol prekär. Wer aber soll einen öffentlichen Diskurs und eine allgemeine Debatte über Kunst und Kultur führen, vorantreiben, entwickeln, begleiten, kommentieren, hinterfragen, ankündigen, publik machen, rezensieren wenn nicht die Medien? Oder anders gefragt: Was weiß die Tiroler Öffentlichkeit über Aktivitäten, Inhalte und Themen zeitkulturellen Geschehens im Land, wenn dieser gesamte Komplex in den Medien ausgeblendet wird? So gesehen existiert im allgemeinen öffentlichen Bewusstsein die blühende vielschichtige Tiroler Szene kaum, abgesehen von den Leuten, die sie betreiben und deren Publikum, das das Angebot ohnehin zu schätzen weiß. Darüber hinaus verbleibt zeitgenössische Kulturarbeit in der öffentlichen Wahrnehmung bestenfalls dort, wofür diese auch einen bezeichnenden Begriff parat hält: im Underground.
Es ist leider eine Tatsache, dass es sämtliche gängigen regionalen Tiroler Medien, (und das reicht von Tages-, Wochen- und Monatszeitungen bis hin zum öffentlich rechtlichem Radio und Fernsehen, mit Ausnahme freier Initiativen wie das Freie Radio Innsbruck – FREIRAD 105.9) schlichtweg negieren, einen offenen, intellektuell anspruchsvollen, auf der Höhe der Zeit stattfindenden, kritischen Gesellschafts-, Kunst- und Kulturdiskurs zu führen. Es ist hier nicht der Ort zu diskutieren, inwieweit dies zu den Aufgaben regionaler Massenmedien gehören könnte oder wie der Bildungsauftrag öffentlich rechtlicher Medien auszulegen ist.
Jedenfalls ist zu konstatieren: kein Feuilleton weit und breit, kaum Kulturveranstaltungsankündigungen, fast keine Kulturveranstaltungsrezensionen, schon gar keine grundsätzlichen oder inhaltlichen Kunst- und Kulturdebatten, geschweige denn gesellschaftsreflexive Diskussionen. Diesbezüglich herrscht in Tirol Wüste und ein schockierendes Nicht-Bewusstsein darüber, was man damit leichtfertig aufgibt.
Begreift man Kunst und Kultur als unverzichtbare gesellschaftliche Ressourcen und als gesellschafts- bzw. demokratiepolitische Notwendigkeiten so wird schnell klar, was auf dem Spiel steht. Kunst und Kultur forschen auf der Höhe der Zeit und spüren seismografisch (und das außerhalb des Kosten-Nutzenkreislaufes täglichen Gebrauchs- und Konsumverhaltens) Zusammenhängen, Frage- und Problemstellungen, Zuständen und Brüchen nach, um diese aufzuzeigen, zu benennen und zu bearbeiten. Damit liefern Kunst und Kultur jene Grundlagen, auf deren Basis breitere gesellschaftliche Fragen aktualisiert und verhandelt werden können.
Dass in Tirol ein Kulturmedium fehlt, ein solches aber dringend notwendig wäre, darüber gibt es des Längeren schon breiten Konsens. Schon 2006 hat „baettle research“ eine umfassende Studie über die Bedingungen freier Kulturarbeit in Innsbruck diesem alten Anliegen beeindruckend Nachdruck verliehen. In nahezu jedem der 70 von Kulturinitiativen zurückgesendeten Fragebögen wurde in dem Antwortfeld – Wünsche, Visionen und Ziele für Innsbrucks kulturelle Zukunft – die Notwendigkeit eines eigenen Kulturmediums für Innsbruck und Tirol angesprochen. Noch deutlicher war das Ergebnis bei den qualitativen Interviews mit KünstlerInnen und Kulturschaffenden: hier hat sich die langfristige Etablierung eines eigenen Kulturmediums als zentrale Forderung herauskristallisiert und zwar ausnahmslos bei allen Befragten.
Folgt man der These, dass Kunst und Kultur gesellschaftliche Ressourcen sind, die jene Grundlagen liefern, auf deren Basis breitere gesellschaftliche Fragen aktualisiert und verhandelt werden können, so könnte man in Abwandlung des eingangs zitierten Satzes von Niklas Luhmann also guten Gewissens behaupten: Was wir über die Gesellschaft wissen müssen, ja über die Welt in der wir leben, das wissen wir nicht zuletzt auch durch Kunst und Kultur. Die gängigen regionalen Massenmedien in Tirol gewährleisten dafür weder den erforderlichen Wissenstransfer noch den dazu nötigen breiten öffentlichen Diskurs.
Fazit: Tirol braucht ein Kulturmedium das über die sogenannte Freie Szene reflektiert. Ein solches zu entwickeln, hat sich vorliegendes Projekt zur Aufgabe gesetzt.
Der Start zum neuen Medium war durch eine Förderung der Stadt Innsbruck im Rahmen der stadt_potenziale 08 möglich.
MOLE. medium für kulturelle nahversorgung
Ausgehend von der für zeitgenössische Kunst- und Kulturarbeit prekären Mediensituation in Tirol hat der Verein „MOLE. Verein zur Förderung medialer Vielfalt und Qualität“, im Jahr 2009 an der Umsetzung eines für Tirol zugeschnittenen Kulturmediums mit Schwerpunkt auf die Freie Szene gearbeitet. Die erste Ausgabe des Printmediums MOLE wird im Oktober 2009 erscheinen. Zur gleichen Zeit wird auch das Onlinemedium für die Öffentlichkeit freigeschaltet.
Das Medienprojekt verfolgt das Ziel, die öffentliche Wahrnehmung von zeitgenössischer Kunst und Kultur zu erhöhen und einen differenzierten inhaltlichen Diskurs zu diesen Themen zu forcieren. Die Medienzugänglichkeit für bestimmte Inhalte soll verbessert werden. KünstlerInnen, Kulturschaffende, WissenschafterInnen, JournalistInnen im Bereich der Zeitkultur erhalten eine mediale Plattform und gestalten Strukturen im Medienbereich aktiv mit. Einem an (über)regionalen kulturellen und kulturpolitischen Themen interessierten Publikum wird die Möglichkeit zu Information, Interaktion und Diskussion eröffnet.
Ausgehend von der vielfältigen Ausrichtung des Mediums haben wir uns für den Namen „MOLE. Medium für kulturelle Nahversorgung“ entschieden. Mole bezeichnet eine mexikanische Gewürzmischung, die sich aus bis zu 75 Gewürzen zusammensetzt mit einer geschmacklichen Bandbreite von scharf bis süß.
MOLE. Konzept
MOLE ist ein „Mischmedium“, basierend auf zwei Publikationsebenen, einer Online-Plattform und einem Printmedium, das viermal im Jahr erscheinen soll. Die unterschiedlichen Qualitäten der beiden Medien werden für verschiedene journalistische Bereiche genutzt. Das Printmedium ermöglicht eine tiefergehende Auseinandersetzung mit aktuellen Themen, gibt Raum für Kulturtheorie, Analysen und Feuilleton. Das Online-Medium ermöglicht Tagesaktualität und schafft die Möglichkeit für Kommentare, Reviews und Previews sowie für einen breiten kulturpolitischen Diskurs. Beide Teile sollen einander optimal ergänzen:
Das Printmedium bietet aufgrund seiner Funktionsweise die Möglichkeit einer fundierten Auseinandersetzung mit längerfristig relevanten Themen und Fragestellungen. Jede Ausgabe widmet sich daher einem Schwerpunktthema, das von unterschiedlichen Seiten beleuchtet wird. Ein Printmedium bietet Platz für unterschiedliche künstlerische Ausdrucksformen sowohl auf Text- als auch auf Bildebene sowie für verschwindende journalistische Formate (wie z.B. Gespräch, Glossen, etc.). Das Schwerpunktthema der ersten Ausgabe befasst sich mit der Mediensituation in Tirol.
Die Online-Plattform ist ein schnelllebiges Medium, das auf tagesaktuelle Themen fokussiert. Im Sinne von Web 2.0 liegt der Schwerpunkt auf Partizipation und damit auf ständigem Austausch, Vernetzung und Diskussion unter und zwischen den UserInnen. Über Blogs besteht die Möglichkeit, zur Wahrnehmung von kulturellen Angeboten aus den Regionen Tirols beizutragen. Ein wichtiger Bestandteil von www.molekultur.at ist der Aufbau eines Kulturkalenders, der in der ersten Phase von der Redaktion des Mediums befüllt wird und später durch die Kulturschaffenden selbst. Ziel ist es, den Kulturkalender so zu positionieren, dass er von Kulturschaffenden aller Bereiche angenommen und zur ersten Informationsadresse für Kulturinteressierte wird. Ein solcher Kulturkalender fehlt bis dato in Tirol und dient sowohl den Kulturschaffenden als auch den Kulturinteressierten.
MOLE. Inhalt und Ausrichtung
Inhalt und Ausrichtung des Mediums orientieren sich an folgenden Punkten:
MOLE soll:
MOLE. Zielgruppen
MOLE spricht kulturinteressierte Menschen vorwiegend in Tirol an: Kulturtreibende, KünstlerInnen, BesucherInnen von Veranstaltungen, anspruchsvolle und qualitätsbewusste LeserInnen mit Interesse an Kunst, Kultur, Kulturpolitik und Kulturtheorie.
MOLE. Struktur
MOLE setzt sich aus folgenden strukturellen Ebenen zusammen:
Der Verein „MOLE. Verein zur Förderung medialer Vielfalt und Qualität“ bildet die Trägerstruktur von MOLE. Er ist für grundsätzliche, das Medium betreffende Entscheidungen zuständig. Der Verein repräsentiert das Projekt MOLE nach außen und ist für die Sicherstellung der Finanzierung zuständig.
Die Redaktion arbeitet in gleichberechtigter Form ohne Chefredaktion. Zwei Personen bilden die Redaktion der Online-Plattform sowie der Printausgabe. Nach Bedafr werden auch Werkverträge vergeben. Die Redaktion legt die Themenschwerpunkte der Printausgaben fest und wählt AutorInnen und Artikel aus.
Der AutorInnenpool umfasst eine sich ständig erweiternde Anzahl von AutorInnen, die zu den jeweiligen Themen Beiträge verfassen.
Ein Beirat, der ein bis zweimal jährlich einbezogen wird, reflektiert und evaluiert die Entwicklung von MOLE.
MOLE. Technische Daten
Grafisches Konzept: Kurt Hoeretzeder, Büro für grafische Gestaltung und Kommunikation
Programmierung: Niko Hofinger, AltNeuland Bildschirmwerkstatt
MOLE. Vertrieb
Für MOLE 01 erfolgt der Vertrieb über PartnerInnenorganisationen und Kultureinrichtungen. Die Zeitung wird verschickt und verteilt. Sie wird in allen Bezirken in den wichtigen Tiroler Kultureinrichtungen (z.B. bei Veranstaltungen, Konzerten, Ausstellungen etc.), sowie in Universitäten, im Buchhandel und in Büchereien aufliegen. Ein Teil der Auflage wird überregional an Kultureinrichtungen in alle Bundesländer und nach Südtirol verschickt.
Ob zukünftig ein Verlag für den Vertrieb von MOLE gewonnen werden kann, hängt wiederum von der Entwicklung des Mediums bzw. von den finanziellen Möglichkeiten ab.